„Können wir heute nicht mal amerikanisch essen gehen?“ stimmt ein Freund von mir ganz gerne an, wenn ihm unser Mittagsitaliener Bernardo etwas über ist. Ziel ist dann McDonald‘s im Gewerbegebiet. Kulinarisch gibt es nun mal Unterschiede zwischen Europa und USA. Architektonisch auch, man denke an die mit Rigips beplankten Holzgestelle mit Klimaanlagenkanälen und der Außenvertäfelung im Vergleich zu unseren siebenfach wärmegedämmten dreifach-Velux-verglasten Burgen. So mag es eigentlich nicht verwundern, dass man kulturelle Unterschiede auch bei Restaurierungen von Porsches beobachten kann.
Das soll jetzt nicht heißen, dass amerikanische Restaurierungen per se wie Fast Food schnell, billig und fettig sind. Wobei, fettiger Glanz dank zweistelliger Anzahl von Klarlackschichten bei einem US-restaurierten 911er nicht unüblich ist – selbstredend, dass die Radhäuser und Unterböden diese überbordende Liebe der Lackierpistole auch gerne erfahren.

Teil der US car culture ist auch die Hotrod-Szene. Was in Deutschland heute gerne verdrängt wird „das mit dem Tuning waren doch nur die 80er Jahre“, genießt auf der anderen Seite des Atlantiks ungebremsten Zuspruch. Hotrods gab es schon in den 50ern Jahren. Daraus entwickelt hat sich die Restomod-Szene. Restoration and Modification. Beim Restaurieren wird in den USA nicht gleich die period-correct-Nase gerümpft, wenn etwas modifiziert wird.
Singer Vehicle Design ist der Beweis, dass es auch eine Art Haute Cuisine im amerikanischen Restaurationskosmos existiert. Seit 10 Jahren restauriert Singer in Los Angeles betagte 911er, allerdings ausschließlich die Baureihe 964 (das sind die Baujahre 1989 bis 1993). Wenn man ehrlich ist, bleibt von der 964 Rohkarosse nach der Restauration nicht mehr allzu viel übrig. Bis auf die Türen (Crashsicherheit) werden alle Außenteile von den Stoßstangen bis zur Dachhaut durch selbst hergestellte Bauteile aus Kohlefaserverbundwerkstoff ersetzt. Auch die Felgen sind Eigenkreationen, die es so früher nie gab. Sie sehen zwar aus wie die tief-geschüsselten Fuchsfelgen, wie sie das Porsche Werksteam in den 70er Jahren auf ihren RSRs montierte, aber die gab es damals nicht in 17 Zoll. All diese Anstrengungen heben eine Singer-Restaurierung schon deutlich von anderen ab, nicht nur technisch und stilistisch, auch im Preis. So eine Haute-Cuisine Kreation kostet gerne eine halbe Million.

Aber was Singer nun mit dem „DLS“ präsentiert kommt einem Streben nach einem Michelin-Stern gleich. Und das hat nichts damit zu tun, dass Michelin extra für den DLS ihren Pilot Sport Cup 2 in eine Sondergröße gießt. Wie bei den Kaliforniern üblich, dient für die Dynamic Lightweight Study als Basis wieder eine Rohkarosse eines ausrangierten 964ers. Allerdings bleibt von ihrem 0,8 mm starken verzinkten Stahlblech nicht viel mehr als die Bodengruppe übrig. Das komplette Greenhouse (der Teil der Fahrgastzelle mit den Scheiben) ist nach der Restauration stahlblechfrei. A-, B- und C-Säulen sind Nachbauten aus Kohlefaserverbundwerkstoffen. Ziel der Studie war offensichtlich, den extremsten luftgekühlten 911er zu bauen. Deswegen lachte man sich ein Formel 1 Team an (Williams) und kooperierte mit Ihnen beim Bau des Fahrzeugs und des Motors. Wer, wenn nicht ein F1-Konstrukteur, weiß wie man die Leistung rauf und das Gewicht runter bekommt?

Die DLS Studie bleibt übrigens kein Unikat. Singer will 75 Umbauten im DLS Stil realisieren. Wer also will, darf seinen eigenen 964 spenden, 2 Million US-Dollar auf den Beifahrersitz legen und bekommt dann seinen 964 in Wunschfarbe zurück. Er wird dann immer noch 6 luftgekühlte Zylinder haben, aber aus den 250 PS werden dann 500 PS geworden sein (Futur II). Der von Williams Advanced Engineering entwickelte Motor mit Vier-Ventilkopf dreht dann bis 9000 Umdrehungen. Anfang der 80er Jahre hatte Hans Mezger auch schon mit 4-Ventilköpfen experimentiert. Mezger war damals Motorenentwicklungschef bei Porsche. Letztendlich gab damals Porsche das Projekt luftgekühlter 4-Ventil-Zylinderkopf auf. Man bekam die Hitze bei den hohen Drehzahlen einfach nicht aus den luftgekühlten Köpfen abgeleitet. Anmerkung: beim Porsche 956 und 959 waren die Zylinder luft-, die Köpfe jedoch wasser-gekühlt. Nun, die DLS-Studie nennt sich immer noch luftgekühlt. Aber man liegt sicherlich nicht falsch, wenn man annimmt, dass die Luftkühlung sehr freundlich von der Kühlung des Öl-Kreislaufs unterstützt wird.
Aus marketingtechnischer Sicht sicherlich nicht ganz ungeschickt zieren die DLS Studie neben Williams auch noch einige weitere renommierte Firmen. Neben den schon erwähnten BBS und Michelin gibt es ein kohlefasernes Lenkrad von Momo zu bestaunen sowie Schalensitze von Recaro.
Das Thema Leichtbau zieht sich durch die ganze Restauration. Kohlefaser, Magnesium und Polycarbonat kommen reichlich zum Einsatz. Der ganze Wagen wiegt nur um die unglaubliche 1000 kg Marke. Die Vorderradaufhängung sieht übrigens phänomenal aus und hat sehr wenig mit einem 964-McPherson Federbein zu tun. Die Radträger sind aus dem Vollen gefräst und Formel 1-mäßig an doppelten Querlenkern aufgehängt. Wie sich das fährt, weiß ich jedoch leider noch nicht.

Mein Lieblingsdetail an diesem Wagen sind jedoch die hinteren Seitenscheiben. Die sind aus Gewichtsgründen aus Polycarbonat. Die Scheiben sind dreidimensional ausgeformt, weil sie gleichzeitig als Ansaugtrakt für den 6-Zylinder im Heck dienen. Als Nebenwirkung lassen sie unter Volllast die Passagiere akustisch an den Schwingungssäulen in eben diesen beiden Ansaugkanälen teilhaben. Wem das zu laut ist, kann ja vom Gas gehen.