Seit Ewigkeiten werden Körbe aus Schilf geflochten. Mit Glasfaser verstärkte Kunststoffe wurden seit den 1950er immer populärer und ab Mitte der 1980er Jahre kamen dann die kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe auf. 1980 entwickelte McLaren das erste Formel 1 Chassis aus Kohlefaser und gab dadurch der Entwicklung einen enormen Schub. Rotorblätter von Hubschraubern oder ganze Flugzeugrümpfe werden mittlerweile aus CfK hergestellt (Carbon-Faser verstärkter Kunststoff, Carbon ist der chemische (und englische) Begriff für Kohlenstoff). Nun hat Porsche aus diesen drei Materialien einen Verbundwerkstoff 3.0 erfunden: den Biofaserverbundwerkstoff.
Neuerdings wird von einem recycelbaren Naturfasermix gesprochen. Flachsfasern, die in der Landwirtschaft erzeugt werden “ohne dabei im Konflikt zum Nahrungsmittelanbau stehen” (Zitat Porsche Pressetext), werden mit einem Epoxidharz zu einem stabilen Ganzen im Autoclaven gebacken, im Vakuum-Infusionsverfahren. Das Bauteil kommt mit seinen verschiedenen Schichten zusammengelegt in einen großen Plastiksack. Staubsauger dran bis alles schön zusammengesaugt ist. Dann erst wird das Harz injiziert beziehungsweise saugt das Vakuum das Harz von alleine in alle Lücken zwischen den Matrizen (damit sind die Faserwebungen gemeint).

Porsche setzt dieses neuartige Verbundmaterial seit 2019 für immer mehr Anbauteile beim 718 Cayman GT4 Clubsport MR ein. Im ersten Jahr waren es nur die Türen und der Heckflügel, 2020 sind noch die Hauben, Stoßstangen, Kotflügel und der Diffusor hinzugekommen. Als Basis für die Türen dient ein Balsaholz-Kern der sandwich-mäßig mit in Epoxidharz getränkten Biofasermatten ummantelt wird. Vorher werden noch Versteifungsrippen eingearbeitet. Ähnlich wie bei der modernen Verwendung von CfK kann durch Faserausrichtung und der Materialstärke punktuell Einfluss auf die Steifigkeit genommen werden.
Der Verbundwerkstoff entstand aus einer Kooperation zwischen Porsche, dem Fraunhofer Institut, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Schweizer Unternehmen Bcomp. Im Vergleich zu CfK bieten die nachhaltigen Biofaser-Verbundmaterialien einige Vorteile. Dazu gehört der geringere Energieeinsatz, die unproblematischeren Crasheigenschaften (nicht so fisselig-kleine und weniger scharfe Splitter), die nachwachsenden Rohstoffe und die günstigere Produktion. Dafür ist die Steifigkeit des Materials jedoch nicht so hoch wie CfK. Die Biofaser-Verbundwerkstoffe können daher die herkömmlich im Kunststoff-Spritzgussverfahren hergestellten Karosserieanbauteile ersetzen, ein Chassis jedoch (noch?) nicht.
Die Recycelbarkeit ist naturgemäß gegeben. Fehlt eigentlich nur noch ein cooler Terminus, vielleicht BfK?
Zersplittert nicht so kleinteilig wie CfK